Merkmale meiner Homophobie
Mein christlich-fundamentalistischer Glaube hat mich viele Jahre meines Lebens homophob gemacht.
Das habe ich in einem herausfordernden und schmerzhaften Prozess erkennen müssen, nachdem ich meinen heutigen Ehemann Thomas kennengelernt und meinen Glauben dekonstruiert habe.
Darum teile ich heute mit euch drei persönliche (und nicht allgemeingültige) Merkmale, die mir gezeigt haben, dass ich homophob bzw. queerfeindlich war – und damit auch weit entfernt von einem Leben, das von Nächstenliebe & Gottesliebe geprägt ist.
Doch zu allererst möchte ich eine kurze Begriffsdefinition vornehmen:
homophob
Adjektiv
Bedeutung
eine starke [krankhafte] Abneigung gegen Homosexualität habend, zeigend
Herkunft
zu griechisch phobeĩn = fürchten
* Quelle: duden.de (Suchwort: „homophob“)
Homophobie, die
Substantiv, feminin
Bedeutung
homophobes Wesen, Verhalten
* Quelle: duden.de (Suchwort: „Homophobie“)
Queerfeindlichkeit
Bedeutung
Diskriminierung und Anfeindungen von queeren Menschen
* Quelle: queer.de
Inhaltsverzeichnis
1.) Ich habe mich überlegen gefühlt
Früher hatte ich diesen Satz verinnerlicht: „Als Christin bin ich nicht besser – ich bin nur besser dran.“
Die Grundidee hinter diesem Satz mag gut sein, aber leider ist er in der Praxis sehr schädlich. Denn man fühlt sich besser und überlegener – gerade weil man vermeintlich besser dran sei als andere.
Man sei besser dran, weil man in den Himmel komme, weil man die Wahrheit erkannt habe, weil man moralisch richtiger handele und darum Gott mehr gefalle.
Darum habe ich mich als etwas besseres gefühlt. Ich war eine kollektive Narzisstin.
Kollektiver Narzissmus beschreibt die Annahme der Überlegenheit der eigenen Gruppe über andere (Bsp.: die, die besser dran sind vs. die anderen).
Und so habe ich mich bspw. auch über queere oder christliche Menschen mit anderer Meinung überlegen gefühlt.
2.) Ich habe Sünder nicht geliebt
„Liebe den Sünder – hasse die Sünde“ ist ein christlich-frommer Spruch, den wohl die meisten Menschen kennen. Ich kannte ihn auch sehr gut.
Die Sünde zu hassen – das konnte ich gut. Aber wie sah es mit meiner Liebe zu den Sündern aus? (Spoiler: Erbärmlich.)
Unter „Liebe“ verstand ich, homosexuellen bzw. queeren Menschen zu erzählen, dass sie sündigten. (Menschen von ihren Sünden zu erzählen, ist nicht per se schlecht.)
Aber: Homosexuelle und queere Personen wissen gut genug, dass viele (besonders christliche) Menschen ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität für „abnormal“, „sündig“ und „schlecht“ halten. Und sie leiden unter diesem Hass gegen sie.
Die Liebe tritt darum nicht nochmal nach und reibt ihnen das bis zum Suizid unter die Nase! Die Liebe stellt sich schützend vor sie und sagt: „Du bist ein geliebtes Kind Gottes! Wenn mein Nächster oder gar ein Glied am Leib Christi leidet, dann stehe ich zu dir!“
3.) Ich habe Menschen eingeschränkt
Ich will heute einen Pro-Choice-Lifestyle leben, indem ich anderen Menschen die Freiheit gebe, für ihr Leben selbstbestimmt & eigenverantwortlich Entscheidungen treffen zu können, solange andere Menschen dabei nicht verletzt werden. Auch dann, wenn ich mich selbst anders entschieden hätte.
Dass Homosexualität bzw. Queerness keine Entscheidung ist, erwähne ich an dieser Stelle sicherheitshalber nochmal. Menschen sind entweder queer oder nicht. So wie Menschen schwarz sind oder nicht. Es ist keine Entscheidung.
Was aber eine Entscheidung ist, ist beispielsweise, ob man zölibatär lebt oder ob man eine Transition macht.
Früher gab es für mich keine freiwilligen Entscheidungen, sondern nur „christliche Pflichten“ (zölibatär leben und im bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht bleiben). Denn „ausgelebte“ Homosexualität bzw. Queerness insgesamt waren Sünden.
Heute sehe ich diese Vorschrift als Äußerung meiner Homophobie bzw. Queerfeindlichkeit.
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