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„Darf ein Christ …?“ – Über Gesetzlichkeit, Anstoß sein und Freiheit

◷ Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

Ich bin ein bisschen genervt. Sehr sogar. Ihr kennt diese Art von Fragen bestimmt auch: „Darf ein Christ …?“ Anstelle der Auslassungszeichen dürft ihr gerne ein beliebiges Diskussionsthema einsetzen – seien es nun Tattoos, Partys, Musik, Filme, Kleidung oder anderes. Manchmal stecken nur Neugierde, Diskussionslust, der Helferdrang, andere vor Sünden zu bewahren, oder der Drang, anderen unter die Nase zu reiben, dass sie einem ein Anstoß sind, dahinter. Oftmals deckt diese Frage für mich aber einfach nur die Gesetzlichkeit auf, in der wir so gerne leben und mit der wir uns profilieren wollen. Ich will hier keineswegs irgendjemanden verurteilen und mir anmaßen, solche Diskussionen als „irrelevant“ abzutun. Das sind Fragen, die einen bewegen und über die man sich früher oder später Gedanken machen muss, um zu prüfen und Position zu beziehen. Aber …

Das Ziel unseres Lebens als Christ

Bitte hört auf, das Christ-Sein darauf zu reduzieren und immer nur darüber zu reden, was man darf und was man nicht darf. Redet viel lieber darüber, was man tun muss und soll! Gott sagt uns in der Bibel im Grunde nur zwei Gesetze: Ihn zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst zu lieben. Daher sollten wir uns doch viel lieber gegenseitig motivieren und ermutigen. Es ist doch so einfach. Und dennoch unterhalten wir uns immer wieder über unsere persönlichen Geschmäcker, was man als Christ darf und was nicht.

Bin ich ein Anstoß für andere?

„Bin ich ein Anstoß, wenn sich jemand an mir stört?“ Diese Frage habe ich mir tatsächlich in den vergangenen Wochen so oder so ähnlich relativ oft selbst gestellt. Beispielsweise durch meinen Römer- bzw. Philipper-Bibellesekreis mit Freunden, oder in Gesprächen mit Freundinnen über Werksgerechtigkeit, und zu guter letzt als mich jemand auf Dinge aufmerksam gemacht hat, die Leute stören oder einen „schlechten Eindruck“ vermitteln könnten. Da wird man als Christ tatsächlich stutzig. Bin ich nun ein Anstoß oder nicht, muss ich es allen Recht machen, oder darf ich andere auch ein bisschen nerven?

Anstoß zur Sünde vs. Ärgernis

Die Antwort dazu steht (surprise, surprise) in der Bibel – doch was ich selbst erst jetzt erkannt habe: Ich habe den Begriff „Anstoß sein“ immer falsch verstanden. In der Elberfelder Studienbibel stehen folgende Verse:

„Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden, und ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Anstoßes zur Sünde.“ (1. Petrus 2,7-8)
„Lasst uns nun nicht mehr einander richten, sondern haltet vielmehr das für recht, dem Bruder keinen Anstoß oder einen Fallstrick zu geben.“ (Römer 14,13)

In dem ersten zitierten Vers geht es natürlich um Jesus und im zweiten um uns Christen, aber an beiden hervorgehobenen Stellen wird das griechische Wort »skandalon« verwendet. Überraschenderweise bedeutet es nicht, dass man jemanden einfach nur nervt oder ärgert – es bedeutet, dass man ihn komplett geistlich ruiniert. Erklärend dazu steht im Sprachschlüssel der Studienbibel folgendes:

„»Skandalon« bezeichnet immer eine Verführung oder das Schaffen einer Gelegenheit, […] welches [den verführten Menschen] ruiniert. […] In den meisten Fällen ist ein »skandalon« etwas, was Gelegenheit zu einem Verhalten bietet, das mit dem Untergang dessen endet, der Anstoß nimmt. Damit ist »skandalon« (Ursache, Anstoß zum Sündigen) etwas Anstößiges, weshalb auch derjenige bestraft wird, der es bietet oder gibt.“ (Elberfelder Studienbibel, 3. Auflage 2012, 8. Gesamtauflage, SCM R. Brockhaus, Witten, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg, S. 2067)

 

Der Kontext: Götzenopferfleisch

Ich mache an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in den Kontext des zitierten Bibeltextes aus dem Abschnitt aus Römer 14,1–15,7 (dem Abschnitt im Thema „Anstoß sein“). In diesem Abschnitt geht es um die Starken und Schwachen im Glauben – Menschen, deren Gewissen stärker aber auch schwächer sein kann. Paulus spricht ein damaliges Problem an: Den Verzehr von Götzenopferfleisch. Für die einen (meist Juden) war das ein Ding der Unmöglichkeit – niemals könnten sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, Fleisch zu essen, das für die Götzen bestimmt war. Für die anderen (meist Heiden) war das gar kein Thema – es sei ja nur ein Stück Fleisch, das den inneren Menschen von außen nicht verunreinigen könne.
Auch wenn wir heutzutage vermutlich eher seltener über Götzenopferfleisch diskutieren, haben wir heute nach wie vor immer wieder das Problem mit den Stärkeren und Schwächeren im Glauben.* Daher ist das Prinzip, welches Paulus uns hier aufzeigt, auch noch für uns Christen heutzutage anwendbar.

* Weiterlesen: www.bibelstudium.de

 

Wann ich ein Anstoß bin

Im Klartext bedeutet das nun für uns: Die Wortbedeutung von „Anstoß sein“ meint nicht, den Menschen ein Ärgernis zu sein, indem man sie irgendwie stört oder nervt, sondern (viel krasser!) die Menschen absichtlich in Sünde fallen zu lassen – ihnen einen Fallstrick auszulegen, ein sinnbildliches Bein zu stellen oder (wie in Mario Kart) eine rutschige Banane auzulegen. Solange wir also niemanden willentlich zur Sünde verführen und jemanden motivieren zu sündigen, indem wir bspw. einem ehemaligen Alkoholiker Alkohol aufzwingen, sind wir kein Anstoß.

Wann, wie und warum sollte man dennoch Rücksicht nehmen?

Als Christen leben wir nicht mehr nur für uns, sondern in erster Linie für Gott und unsere Nächsten. Man kann es anderen nie zu 100 % recht machen, klar, aber um des Friedens Willen und für ein liebevolles Miteinander sollten wir dennoch Rücksicht nehmen. Und zwar 1. aus Liebe zum Nächsten, 2. freiwillig und 3. als eine Frucht des Heiligen Geistes in uns. Aber nicht, weil andere es erzwingen (!), denn so wird ermöglicht, dass ein krasser Missbrauch damit getrieben wird. Das Endergebnis ist dann nämlich nicht ein anstoßfreies Zusammenleben, sondern pure Gesetzlichkeit. Vor allem stellt sich dann die Frage: Was wäre die Freiheit noch wert, die wir in Christus haben? Also wollen wir daran denken:

„Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden ja alle vor dem Richterstuhl des Christus erscheinen.“ (Römer 14,10)

In letzter Instanz ist nämlich jeder persönlich verantwortlich für seinen Weg, den er vor dem Herrn geht – er soll nicht nach links und rechts schauen und über Schwache lachen oder Starke runterziehen.

Meine Ermutigung für euch

Meine Ermutigung für euch ist heute: Lasst euch von Leuten, die eventuell schwächer sind oder ein empfindlicheres Gewissen haben, nicht runterziehen und vor allem nicht einreden, ihr seid ein Anstoß. Das ist echt krass! Wer anstößig handelt, sündigt. Wer andere aber nur nervt, geht höchstens sehr offensiv mit seiner Freiheit in Christus um. Das ist ein gewaltiger Unterschied!
Aber weil Gott uns seinen Heiligen Geist geschenkt hat, können wir dank ihm gute Frucht bringen können, die aus Liebe und Rücksicht zu unseren Nächsten handelt.
Daher: Lebe in der Freiheit, die Gott dir geschenkt hat, aber achte darauf, anderen nicht absichtlich einen Grund zu geben, verärgert oder genervt zu sein, wenn es auch eine gute Alternative gibt.

Ich wünsche euch Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus! (nach Röm 1,7b)
Eure Daniela ♥

 

PS: Mir wurde die große Ehre und Freude zuteil, dass dieser Artikel im Steps-Magazin „BE FREE“ abgedruckt wurde. Welch eine Freude! ♥ Bestellt euch gerne kostenlos das Heft beim CJ-Shop.

3 Kommentare

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  1. […] ihnen einen Anlass zum Anstoß oder um sich über dich zu ärgern. (Mehr dazu könnt ihr in meinem Artikel „Darf ein Christ …?“ […]

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