Jung heiraten in Freikirchen
Wie problematisch ist es wirklich?
Influencerin & Model Millane Friesen hat vergangene Woche bekannt gegeben, dass sie geheiratet hat. Mit 23 Jahren. Nach 5 Monaten Verlobungszeit.
Viele fragen sich nun: Ist das nicht zu schnell? Und kann das problematisch sein?

Diesen Fragen möchte ich heute nachgehen und außerdem beleuchten, ob der Trend vieler freikirchlicher Paare, sehr jung zu heiraten, Parallelen zu Kinderehen hat.
Denn die Muster (unter Druck heiraten und keine echte Wahlfreiheit haben) ähneln sich oft erstaunlich stark …
1.) Der Druck, (früh) zu heiraten
In vielen Freikirchen wird jungen Menschen von klein auf vermittelt:
„Sex vor der Ehe ist Sünde.“
„Vor der Ehe zusammenwohnen ist Sünde.“
„Sexuelle Reinheit bedeutet Gehorsam gegenüber Gott.“
Das führt u.a. dazu, dass Paare oft sehr jung heiraten: Rund 49 % der Paare in Freikirchen heiraten mit 20–24 Jahren¹. Damit sind sie im Schnitt 10 Jahre jünger als Paare in der Gesamtgesellschaft².
Dies deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung in 11+ Jahren in zig verschiedenen Freikirchen.
¹ Quelle: Nicht repräsentative Umfrage in meinen Instagram Stories am 26.08.2025. (49 % in absoluten Zahlen: 250 Stimmen.)
² Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis, Erhebung aus 2022)
Nicht immer heiraten Paare in Freikirchen, weil sie ausgereift und frei entscheiden. Oft werden sie subtil unter Druck gesetzt, haben Angst, „in Sünde zu fallen“, in ihrer Freikirche in Verruf zu geraten oder die (für die menschliche Psyche lebensnotwendige) Gemeinschaft zu verlieren:
Dies hat sich auch in einer Umfrage in meiner Instagram Story gezeigt: Rund 50 % der Paare in Freikirchen haben demnach das Gefühl, früh heiraten zu müssen³.
Die Ehe ist somit oft keine reife, reflektierte Überzeugung, sondern eine notgedrungene, fremdkontrollierte Entscheidung.
³ Quelle: Nicht repräsentative Umfrage in meinen Instagram Stories am 26.08.2025. (50 % in absoluten Zahlen: 335 Stimmen.)
Ich selbst habe u.a. aus Angst vor Verurteilung durch Christ:innen nach einem Jahr Beziehung geheiratet, damit ich mit meinem Mann Thomas zusammenwohnen darf.
(Mehr dazu in der Folge: „Wenn dein Partner deine anderen Ansichten und Zweifel aushält, aber deine Gemeinde nicht. Danielas Geschichte.“ des Podcasts FCK PURITY. Unbezahlte Werbung.)

2.) Ehe als Eintrittskarte zur Normalität
Das führt mich zum nächsten Punkt: Viele Paare heiraten nicht primär, weil sie bereit sind, sondern weil sie es „wollen müssen“, um ein normales Leben führen zu können:
- beieinander über Nacht bleiben
- gemeinsam reisen
- Sex miteinander haben und intim werden
- zusammenziehen
Statt dass Beziehungen sich entwickeln dürfen, wird die Ehe zur Eintrittskarte für Normalität.
Normalität kann für Paare, die nicht in fundamentalistischen Freikirchen aufwachsen bspw. so aussehen:

Quelle: instagram.com/funk (Daten aus einer nicht repräsentativen Umfrage in den Stories des Accounts)
Das Problem an Ehen, die in jungen Jahren aus Druck geschlossen werden:
Wer jung heiratet, um endlich zu „dürfen“, was für andere Paare in unserer Gesellschaft (u.a. aufgrund menschlicher und psychologischer Bedürfnisse sowie aufgrund von Sozialisierung) normal ist, trägt ein hohes Risiko, später festzustellen, dass die eigene Entscheidung vorschnell war.
3.) Frauenbild & Unterordnung
Die Bibelverse, die in Freikirchen im Kontext von (heteronormativen) Beziehungen am häufigsten betont werden, sind:
„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter […].“ (Epheser 5,22)
„[…] Der Mann aber ist das Haupt der Frau. […]“ (1. Korinther 11,3)
„Damit sie die jungen Frauen dazu anleiten, […] häuslich [zu sein] […] und sich ihren Männern unterzuordnen.“ (Titus 2,4–5)
Damit wird eine patriarchale Vorstellung von Ehe zementiert: Der Mann ist das Oberhaupt der Familie, die Frau unterordnet sich und schmeißt den Haushalt – ganz typisch „Tradwife“ eben. Und dies ist kein überholtes Modell, sondern bittere Realität in vielen Freikirchen: In rund 72 % der Freikirchen wird gepredigt, dass Frauen sich ihren Männern unterordnen sollen⁴.
⁴ Quelle: Nicht repräsentative Umfrage in meinen Instagram Stories am 26.08.2025. (72 % in absoluten Zahlen: 440 Stimmen.)
Besonders problematisch:
Junge Frauen (und Männer) gehen nicht selten direkt aus dem Elternhaus in die Ehe, ohne je die Chance gehabt zu haben, eine eigene Identität, Selbstständigkeit oder berufliche Perspektive zu entwickeln.
Dies kann zu einer gefährlichen Abhängigkeit führen und vor allem bei Frauen das Risiko auf Altersarmut erhöhen, weil sie oft weniger oder gar nicht erwerbstätig sind, dadurch geringere Rentenansprüche haben und finanziell vom Partner abhängig bleiben.
4.) Folgen von frühen Ehen
Wie bereits erwähnt, können frühe Ehen gravierende Folgen – insbesondere für Frauen – haben:
- Überforderung in finanzieller, emotionaler und sexueller Hinsicht
- Frauen sind ökonomisch und sozial abhängig
- Gefährliche Dynamiken von Missbrauch und Machthierarchien
Nicht selten stehen junge Paare nach wenigen Jahren an einem Punkt, an dem sie merken: Der rosarote Traum von der perfekten und gesegnten Ehe (und dem erfüllten Sexleben) ist geplatzt.
5.) Historisch-biblischer Hintergrund
Warum wird heutzutage überhaupt noch oftmals in Freikirchen subtil Druck gemacht, früh zu heiraten?
Früh zu heiraten, war als Frau kulturelle Realität zu biblischen Zeiten.
Dementsprechend zeugen auch die biblischen Texte von dieser Praxis. Allerdings ignorieren viele Freikirchen den historischen Kontext der biblischen Texte:
In biblischen Zeiten heirateten Frauen meist nicht aus romantischen Gründen, sondern aus sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten jung. Eine frühe Ehe sollte die Familie vor Armut bewahren, für Nachkommen sorgen und die gesellschaftliche Stellung absichern. Männer waren dabei meist deutlich älter und verfügten über wesentlich mehr Macht, was den patriarchalen Charakter dieser Gesellschaft widerspiegelt.
6.) Moderne „Kinderbräute“?
Natürlich sind junge Ehen in Freikirchen rechtlich nicht dasselbe wie Kinderehen. Aber:
- Beide Modelle beruhen auf fehlender echter Wahlfreiheit bzw. Selbstbestimmung.
- Beide setzen auf Abhängigkeit von Frauen.
- Beide stärken patriarchale Strukturen.
Deshalb lohnt sich die Frage: Sind die jungen Bräute bzw. die jungen Ehepaare in Freikirchen nicht eine moderne Form desselben Problems?
7.) Fazit
Zu heiraten, sollte eine freie und reife Entscheidung sein und nicht durch Scham und Kontrolle manipuliert werden.
Junge Menschen brauchen die Möglichkeit, ihre Identität zu finden, ihre Sexualität gesund zu entdecken und selbstbestimmt zu leben – ohne religiösen Druck.
Besonders jungen Frauen*, aber auch jungen Männern* möchte ich darum sagen:
Du bist so viel mehr als eine Rolle, die dir von außen zugeschrieben wird, um dich kleinzuhalten.
Du darfst und musst selbst & frei wählen, wann, ob und wen du heiratest. Denn das hat Folgen für dein gesamtes Leben.
Deine Würde und Selbstbestimmung sind wichtiger als die Erwartungen deiner Kirche.









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