Freikirchen-Ausstieg | Bericht Nr. 1

Triggerwarnung: geistlicher Missbrauch, Kontrollverlust, Scham, religiöser Druck, Übergriffigkeit.

Als ich für mein Studium ausgezogen bin, habe ich mir eine neue Gemeinde gesucht. Schnell habe ich mich dort wie zu Hause gefühlt, es gab eine online Kirche und mehrere Standorte. Nach fast einem Jahr wurde ich dann Azubi. Ich wurde ein halbes Jahr lang ausgebildet, um anschließend selbst Leiterin einer Online-Gruppe zu werden. Vorher wurden einige Gespräche geführt, wie eine Leiterin sein muss. Zu dem Zeitpunkt dachte ich mir noch nichts dabei. In diesem Gespräch wurde ich gefragt, wie es mit meiner Sexualität aussieht. Dass ich aber seit vier Jahren mit meinem Freund zusammen war, musste ich gegenüber anderen verschweigen, weil sie den Sex ausschließlich in der Ehe erlaubten. Nach dem Azubiprozess bekam ich eine eigene Gruppe und wurde in den Leiterkreis aufgenommen. Dazu gehörten regelmäßige „Leitertreffen“ und Meetings. Das Thema kam nie wieder zur Sprache, bis in der online Kirche eine neue Leiterin eingesetzt wurde. In meiner Gruppe gab es ein paar Tage zuvor ein großes Missverständnis, über das alle Leiter reden wollten, also stimmte ich der neuen Leiterin zu, als sie sagte, wir würden über eine Thematik aus meiner Kleingruppe sprechen. Doch als sie anfing zu reden, sprach sie über die Beziehung von meinem Freund und mir. Sie nahm unser ganzes Leben auseinander und erklärte vor allen anderen Leitern, dass mein Freund und ich diese Regel nicht einhalten und warum dies problematisch sei. Gleichzeitig hätten sie ja nichts dagegen, weil ich mich Zitat: „auf dem Weg befinde, um herauszufinden, weshalb Gott diese Regel aufgestellt hat“. Mein ganzes Leben wurde vor versammelter Mannschaft von teils fremden Menschen diskutiert. Irgendwann hatte ich nicht mal mehr die Kraft, diese Menschen zu unterbrechen, einfach weil es so wehtat. Es wurden zwei Lösungen genannt: Wir sollten schnellstens heiraten oder in getrennte Wohnungen ziehen. Danach bin ich aus der Kirche raus, auch wenn dieser Prozess etwas länger dauerte. Eine richtige Entschuldigung kam bis heute nicht.